Mein Name ist Luce. Ich bin Philosophin . Ich lebe in Berlin seit 2006 . So on and off. Ich bin zum Studium nach Berlin gezogen . Und zwar , ich glaube , aus zwei Gründen. Das eine ist , weil es billig war . Genau, die andere Option zu der Zeit war Hamburg und Hamburg war deutlich teurer , das konnte ich mir nicht leisten . Und die andere . Der andere Grund ist , dass so eine verrückte roadtrip Love-Story gab , die mich so nach Berlin verschlagen hat vorher und dann bin ich quasi so halb hängen geblieben . Genau . Aber ich komme eigentlich aus einer . Ich bin eigentlich ein Mädchen vom Land oder eigentlich keine Ahnung . Ich denke halt auch immer so: weiß ich nicht . Irgendwann hab ich mal jemanden getroffen , der meinte: Wo hast du Fahrradfahren gelernt, anstatt: Wo bist du geboren worden ? Das fand ich eine schönere Frage. Dan habe ich eine Zeit lang auch gemacht , dann haben mir sehr viele verschiedene Leute ihre Storys erzählt , wie sie Fahrradfahren gelernt haben. Aber manchmal bist du ja auch irgendwann geboren , aber da bist du nicht. Oder du hast so, keine Ahnung . Hast dich nicht so damit verbunden oder so. . Genau . Aber ich glaube , es war bei mir auch so. Ich glaub ich hab so , ich weiß nicht . Ich glaub ich hab so . I ch verbinde ich mit der Region , in der ich aufgewachsen bin primär Entfremdung .
Ich weiß , ich habe glaub ich echt wenig Erinnerungen an meine Jugend und Kindheit. Ich fahr auch nie hin . Immer wenn ich irgendwie dran denke , ist das , woran ich eigentlich meistens denke , weiß ich nicht so: Angst und Gewalt und so Sachen . Keine Ahnung .
Meine Familie und ich . Also wir treffen uns eigentlich kaum, selten würde ich sagen. Ich hab irgendwie ein ganz gutes Verhältnis zu meiner Mutter, würde ich sagen. Und das Verhältnis zum Rest meiner Familie , also der da noch lebt, i st nicht so rege. Aber ich denke auch irgendwie , ich weiß nicht , es gibt ja diese . Ich weiß nicht . Man kann sich ja auch so ein bisschen fragen: Was ist Familie ?
Also wenn ich die Frage höre , denn suggeriert mir das irgendwie so eine Form von . Weiß ich nicht . G enetisch- biologischer Beziehung zu diesen Leuten, die da irgendwie gemeint sind. Ich glaube , ich interpretierst auch so ein bisschen dadurch , dass ich gerade einen Visums verlängerungs antrag gestellt habe für die USA . Wo die dann plötzlich nach dem N amen und dem Geburtstag meines Vaters und meiner Mutter fragen . Und so Zeug . Genau . Das heißt, es gibt ja irgendwie so diese institutionell, kulturell verankerte Idee davon , was Familie ist . Aber tatsächlich . Weiß ich nicht , würde ich da zwei Sachen sagen: Das eine ist, dass das glaub ich in meinem Leben so die Rolle nicht spielt . Und zweitens , dass das auch in meiner Kindheit und Jugend so nicht war, irgendwie . Also ich habe die Sommerferien eigentlich oft bei meiner Tante und meinem Onkel verbracht oder eigentlich fast alle Ferien . Also der Schwester meines Vaters . Und ich glaube , so im Nachhinein lag so meine emotionale Intimität eigentlich mehr da, als bei ... Weiß ich nicht . Das , was man so institutionell und mainstream Familie nennen würde . Das heißt , es gab auch von Anfang an irgendwie mehrere Attachments oder so Verbindungen , emotionale Verbindungen . Genau das ist die eine Sache und die andere Sache ist , dass die ... Di e Frage ist: Warum wird dem so ein krasser Wert zugesprochen ? Dieser Familiengeschichte .
Also wen interessiert das ? Warum ist das so ? Und einer der Gründe ist einfach staatliche und soziale Kontrolle . Also wenn man sich das historisch anguckt , dann gab es natürlich immer irgendwie eine Connection zu den Leuten , die dich aus ihrem Körper raus gedrückt haben und die Leute , die halt irgendwie auch da waren zu dem Zeitpunkt . Also ich will nicht sagen , es ist so völlig arbiträr oder so. Aber man kann halt schon sehen, dass es Teil dessen war , was man heute die ursprüngliche Aneignung im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit nennt . Größere soziale Segmente aufzubrechen und zu kleineren mit Gewalt zusammenzufügen , weil kleinere gesellschaftliche Segmente einfacher zu kontrollieren sind . Und auch innerhalb dieser Segmente Machtbeziehungen einzuschreiten . Und das ist das , was wir Familie nennen . Wir sagen: Ihr seid halt nur zu zweit oder ihr seid halt nur zu viert oder sowas . Und deshalb seid ihr richtig krass schwach und ihr könnt überhaupt nichts machen gegen irgendetwas .
Ist jetzt nicht so , dass ihr so ein ganzes Dorf seid mit so 500 Leuten . Wenn ihr keinen Bock habt , eure Steuern zu zahlen , dann können wir halt nichts machen . Das ist ja nicht , was wir wollen . Wir wollen ja , dass ihr eure Steuern zahlt . Wir wollen , dass ihr brav alle Dokumente und eure Visa-A nträge ausfüllt et cetera und dass ihr in der Fabrik arbeiten geht . Und wenn ihr irgendwie Probleme habt , dass ihr so viel Angst habt , weil ihr so wenig Einfluss habt, dass ihr eigentlich garnichts dagegen macht.
Genau . U nd ich würde denken , dass einer der Gründe dafür , dass diese Familienfragen irgendwie so wichtig und am Start ist, ist eben , dass die Welt so aufgebaut ist , dass das irgendwie ein wichtiger Bezugspunkt ist . Aber eben mit einem Interesse . Und dieses Interesse ist unter anderem Herrschaft . Und wenn man sich durch das 19. Jahrhundert anguckt , wie überhaupt irgendwie , wie so Mutterschaft , Vaterschaft und was Kind sein heißt in Europa, in Deutschland restrukturiert worden ist. Also um Kind sein zu können , musste du ja überhaupt erst mal eine - also so wie du das heute verstehst in Mitteleuropa - musst du ja erstmal quasi eine U nterscheidung machen zwischen sowas wie nem Alter , in dem gearbeitet werden darf oder sowas . Und einem Alter , in dem das nicht passiert . Das ist ja erstmal eine total krasse E ntwicklung irgendwie. Es ist ja gerade ein total krasses Privileg , dass ich nicht irgendwie mit 5 Jahren die Hacke in die Hand nehme und auf dem Feld rumlaufe und irgendwie die Rüben aus dem Acker ziehe .
Es gibt da die Idee von K indheit und damit dann aber auch die Idee von Schutz und Schutzbedürftigkeit, d ie ja auch variabel ist. Also man kann das z.B. sehr schön sehen . Also Kindheit ist ja sowieso was, was so in allen politischen Diskursen immer richtig wichtig ist. Wir müssen immer die Kinder beschützen , ist es immer richtig wichtig , die Kinder zu beschützen und es gibt richtig , richtig viele Gründe , warum die Kinder in Gefahr sind . Alle wollen unsere Kinder .
Man muss immer die Kinder schützen . Aber eine der interessanten Fragen ist immer: Welche Kinder ? Aber wenn man z.B. sich, weiß ich nicht, D iskurse über Queerness , über schwul lesbisch trans Verhältnisse anguckt, sowohl in Deutschland als auch in den USA als auch in der Ukraine , Polen et cetera et cetera . Das Argument ist immer: Wir müssen unsere Kinder schützen! Aber unsere Kinder sind natürlich immer hetero und cis und müssen auch nicht arbeiten . Und sind eigentlich nur so kleine Schutz- und Konsum-M aschinen .
Das ist ja total . Ich weiß nicht . Schon eine bisschen geopolitisch und historisch begrenzte Idee davon , was Kindheit ist , warum es wichtig ist et cetera . Naja , ich war jedenfalls keines von diesen Kindern . Ich musste nicht beschützt werden , ich hab auf die Fresse bekommen von meinen Mitschülerinnen und den Leuten , die da in der Gegend gewohnt haben . Und ich bin eigentlich primär froh , dass ich das los bin . U nd ich glaube , dass eine Welt möglich ist, in der Kindheit nicht darin besteht, i rgendwie sich in politischer Gefangenschaft zu befinden . Und quasi ein I nstrument der Kontrolle der Eltern zu sein . Oh Gott ! Ihr müsst eure Kinder schützen . Deshalb müsst ihr jetzt ganz viel arbeiten . Deshalb müsst ihr jetzt irgendwie - weiß ich nicht ... Entscheidungen treffen , die ihr vielleicht sonst nicht treffen würdet , ihr könnte nicht zu viel umziehen. Ihr müsst richtig viel Geld für die Kita zahlen usw. Also Kindheit ist ja auch ein Kontrollinstrument diesen Eltern gegenüber . Ich würde hoffen , dass es eine andere Art und Weise gibt , das nicht nur sozial und institutionell zu regeln , sondern auch anders irgendwie darüber nachzudenken .
Ich habe zum Beispiel nie darüber nachgedacht , inwiefern meine Existenz als Kind irgendwie quasi meine eigenen Eltern diszipliniert hat . Ihr müsst zusammenbleiben, weil das Kind braucht so ein Elternhaus , in dem es so diese Bezugspunkte hat . Ihr müsst euch so und so verhalten . Also ihr müsst so und s oviel arbeiten und dieses ganze Zeug .
Ich dachte nur gerade nochmal: D ie Frage hat halt auch so einen krassen Sog , oder ? Also die hat so eine sehr krasse Gravitation irgendwie, finde ich. Wo kommst du her ? Was hat dich nach Berlin gebracht? Alles ist so voll normal und ich denke so: Ja , ich möchte auch ein kleines normales Mädchen sein , das normale Antworten auf total unschuldige Fragen hat . Ich möchte auch irgendwie anerkannt werden als eine normale Person , aber dann weiß ich nicht, gehe ich immer so zwei Schritte in die Richtung .
Ich denke so: ich lasse es einfach! Alles scheiße! Aber es ist ja oft so, dass so Konzepte aber auch irgendwie so Sachen wie Floskeln und Fragen und was wir so in unserem Alltag machen und so , dass es eigentlich so funktioniert wie so ein Produkt . Also du siehst das Blut , in deinem Kaffee, in deinen Kaffeebohnen, die du irgendwie morgens mahlst , irgendwie nicht .
Ich wollte nicht sagen , das ist eine doofe Frage oder so. Natürlich ist das eine Frage, die in einem Programm, so wie ich das Programm verstehe, irgendwie da sein muss . Weil das ja auch ist , was die Leute erwarten . Also es ist ja nicht nur so , dass es irgendwie, das ist eine Frage oder so ein Konzept wie Familie oder Ursprung oder Herkunft oder sowas, dass das irgendwie was ist , was du dir jetzt so ausgedacht hättest.
Also wenn ich irgendwie, keine Ahnung, als interessierte Zuhörerin auf eine Website gehe und denke: Oh ja , hier erzählen irgendwie Leute ihre Geschichten , dann erwarte ich natürlich , dass die mir was darüber erzählen, wo sie herkommen, was sie so machen et cetera et cetera . Weil es eben eine mächtige Form ist, in bestimmten kulturellen Konstellationen. Weil es ja auch institutionell die ganze Zeit abgefragt wird . D u möchtest dein Visa haben für dieses andere Land ?
Wie heißt dein Vater ? Du denkst: Warum interessiert euch das ? Naja , man muss auf jeden Fall dich nochmal daran erinnern , dass du irgendwie auch nicht das Eigentum bist von deinen Eltern . Aber dass es irgendwie eine Verbindung gibt . Und ich meine , in dem Moment haben die natürlich auch Interesse daran , im Zweifelsfall meine Eltern zur Verantwortung zu ziehen , wenn ich mich nicht benehme in den USA .
Andersherum funktioniert es ja auch . Man sagt so: J a , was haben deine Eltern gemacht ? Dann sagst du , keine Ahnung, die waren S chweinehirten oder haben Schafe gehütet oder so. Keine Ahnung . Die machen halt irgendwas . Und natürlich hat es irgendwie einen Einfluss . A ber ich würde denken, der E influß oder die Imagination des Einflusses , den das Elternhaus oder die Herkunft , sei es ein Land oder eine Kultur oder eine Region oder was immer hat, finde ich glaube ich oft krass überbewertet . Meine Erfahrung ist aber auch, also ich stelle solche Fragen nie in meinem Leben . Aber meine Erfahrung ist , dass Leute dir normalerweise , wenn du ihnen genug Raum gibst , erzählen , was sie für richtig halten oder für wichtig halten . Man muss denen halt mal ein bisschen Raum geben. Was auch zurückführt auf das Element der Kontrolle , weil eine Beamtin hat natürlich jetzt nicht die Zeit , sich mit dir zwei Stunden hinzusetzen und zu gucken , ob´s wichtig ist für dich, wo du geboren worden bist oder nicht . Das ist dem Staat auch egal. Der Staat möchte einfach wissen, wen man im Zweifelsfall zur Verantwortung ziehen kann. Wohin man dich schicken kann und keine Ahnung , für wen du im Zweifelsfall verantwortlich bist . Zum Beispiel , wenn Leute sterben und die noch Schulden hinterlassen , dann möchte man gerne, dass du die dann bezahlst u nd so Zeug . Aber das ist , was ich meine , dass diese Kategorien und diese K ulturformen sich auf diese Art und Weise miteinander auseinanderzusetzen und sich auf diese Art und Weise einander zu begegnen, selber schon eingefärbt ist oder oder orientiert ist in eine bestimmte Art und Weise .
Also das gleiche Problem findet sich in der Idee von Lernen ja auch . Also die Schule z.B. als Institution ist ja auch eine Institution , die einen Zweck hat und die auch in ihrer Geschichte einen Zweck hatte. Und dieser Zweck ist nicht nur Beschäftigungstherapie und irgendwie Bildung zu einem vollständigeren Menschsein oder irgendwie - das ist auch alles super anrüchig und komisch , sondern es geht doch einfach darum , dass man qualifizierte Arbeitskräfte zur Schöpfung von Mehrwert gerne her bilden möchte und dass man das gerne standardisiert machen möchte , damit es auch funktioniert .
Damit man dann auch Qualitätssicherung betreiben kann mit den Produkten , die man da produziert , nämlich Menschen . Und dass man das möglichst kostengünstig machen möchte . Dann kommt es zu solchen lustigen Szenen wie: Du hast 30 Leute , die vor einer anderen Person sitzen und die eine Person erzählt irgendwas . Und die Idee ist , dass die 30 Personen es aber irgendwie behalten . Und das ist dann so das Paradigma davon , wie Lernen funktioniert oder wie so Unterricht funktioniert oder wie so Lehre funktioniert .
Genau . Und als Philosophin bin ich oft damit beschäftigt , irgendwie zu argumentieren , mit Leuten zu reden oder mir Sachen anzuhören . Und ich kann mit einiger Sicherheit sagen , dass es nicht so ist , dass dein Gehirn aufgeht oder deine Schädeldecke sich öffnet und das Licht der Wahrheit aus deinem Gehirn in mein Gehirn scheint. Diese direkte Übersetzung passiert leider eigentlich nicht . Sondern es muss irgendwie ja im Material passieren , also in der Sprache oder in dem , was du so machst .
In deinem Schreiben , in deiner handwerklichen Auseinandersetzung mit einem Gegenstand. Stuhl oder weiß ich nicht , keine Ahnung, S oftware oder was immer du machst . U nd was dann natürlich total wichtig ist , ist die Motivation . Und meine Erfahrung sagt , dass die besten Motivationsk räfte eigentlich Krisen und Liebe sind . Also entweder, du fühlst dich halt gezwungen, aus irgendeinem Grund irgendwas hinzukriegen oder d u spürst eine krasse Zuneigung .
Und die Zuneigung kann zu Leuten sein , die kann aber auch zu Gegenständen sein, würde ich sagen . Also ich würde sagen, dass wenn es um politische und soziale und kulturelle Fragen geht , habe ich immer das meiste gelernt von Leuten , die mir sehr nahe waren . Und oft in Momenten , in denen ich mich krass daneben benommen habe . Aber weil es diese Liebesbeziehung gab, gab es auch auf meiner Seite die Notwendigkeit , verstehen zu wollen.
Mit Verstehen meine ich nicht nur kognitives Verstehen , sondern auch, die emotionale Reaktion auf der anderen Seite ernst zu nehmen . Und natürlich bin ich daran im Endeffekt immer gescheitert . Es ist jetzt nicht irgendwie, mein Leben ist kein Bildungsroman . E s ist nicht so , dass ich jetzt irgendwie die erwachsenere , bessere , großartigere Person bin . A ber ich würde schon doch sagen , dass sich in Leute verlieben , die sehr anders sind als ich, mir viel beigebracht hat . Und es tut mir sehr leid , dass ich diese Leute in diesen Prozessen auch krass verletzt habe . Oder aber die anderen Situationen , würde ich sagen , in denen ich viel gelernt habe , ist , indem ich so... Ich weiß nicht , wie nennt man denn das ? Ja , vielleicht kann man das einfach auch so fassen , indem ich quasi einen Crush habe . Also so verliebt bin in ein Thema oder in eine Autorin oder in ein Problem , das mich einfach richtig krass interessiert .
Und ich dann einfach so Tage oder Wochen damit verbringen , mich nur damit auseinanderzusetzen . Aber so funktioniert natürlich Bildung eigentlich nicht. S ondern Bildung funktioniert eigentlich so , dass du zwei Stunden Mathe hast und dann zwei Stunden Sozialwissenschaften und dann zwei Stunden Sport . Oder dass du acht Stunden irgendwie arbeitest und irgendwelchen Quatsch machst und dann irgendwie , vielleicht zuhause S amstagnachmittag nochmal irgendwie ein paar Youtube-Videos guckst . Und mein Eindruck ist , dass das eigentlich kontraproduktiv ist. Dass die Art und Weise , wie ich oft gelernt habe , eigentlich über eine bestimmte Form von Immersion passiert .
Also ich bin da komplett drin . Das ist meine Welt, in dem Moment . Also keine Ahnung . Eine Person , in die ich verliebt bin oder mit der ich eine Liebesbeziehung habe , ist meine Welt und ihre Probleme sind auf eine bestimmte Art und Weise , meine Probleme . Und wenn diese Person von Rassismus betroffen ist oder von Rassismus nicht nicht betroffen ist , dann ist es mein Problem . Natürlich bin ich in dem Moment nicht von Rassismus betroffen , aber meine Auseinandersetzung da mit wird eine andere .
Und das ist transformativ . Auf eine Art und Weise , die nachhaltig ist . Oder wenn ich richtig krass viel Fernand lese oder richtig krass viel Hegel lese oder richtig krass viel Spinosa lese , fange ich an , die Welt durch diese konzeptuellen Frameworks zu verstehen . Das ist meine Welt . Und das ist glaube ich wichtig , weil es dazu führt , dass es nicht mehr etwas ist , was außerhalb von mir stattfindet . Sondern weil es eine Verkörperlichung , eine Inkorporation , ein Hineinnehmen dieser Problematiken , dieser Frameworks , dieser Terminologien , dieser Konzepte in mich und mein Denken und meine Auseinandersetzung mit der Welt gibt .
Und dann fange ich an , das anzuwenden , und dann fange ich an zu verstehen . Dann denke ich: Ahh! So funktioniert das! Ich denke so an - weiß ich nicht. Du denkst darüber nach , ob hegelianische Dialektik Sinn macht oder nicht . Und dann denkst du: Ah! Es gab dieses Problem mit den Piraten in der internationalen Gemeinschaft , die es in der Debatte zu dem Zeitpunkt im 16. und 17. Jahrhundert aber noch gar nicht gab . Aber sie hatten alle ein gemeinsames Problem: Es gab nämlich die Piraten , aber es gab überhaupt keine Institution , wie man den Piraten irgendwie begegnen konnte , weil alle waren ja krass zerstritten und haben sich die ganze Zeit gegenseitig bekriegt . Und dann haben sie gedacht: Wir haben ja dieses gemeinsame Problem . Lass uns doch irgendwie gemeinsame Sache machen . Lass uns doch ein Gesetz machen , weil wir sind ja alle Staaten . Lasst uns doch ein Gesetz machen zusammen, das sagt: Piraten sind doof . Wir mögen Piraten nicht, P iraterie ist verboten. Das ist das erste internationale Gesetz gewesen .
Das heißt , hier hast du ein Beispiel dafür , wie die Negation aufgehoben wird, in einer größeren Einheit, die dann die eigentlich zerstrittenen , nämlich sich gegenseitig negierenden Akteurinnen , nämlich die Staaten, zu einer größeren Einheit - nämlich einer internationalen Gemeinschaft , die den ersten Schritt in Richtung internationaler Gesetzgebung getan hat , sich irgendwie vereinigt . D as ist natürlich nicht , was Hegel sagt . Aber in dem Moment , in dem - und ich bin auch kein Hegelianerin - ich finde Hegel ein furchtbarer , patriarchaler , egozentrischer Typ , irgendwie .
Aber in dem Moment , in dem du in diesem Framework anfängst , deine eigene Welt und deine eigenen Probleme oder die Sachen , die dir begegnen , zu denken und dich damit auseinanderzusetzen , in dem Moment passiert Lernen , würde ich sagen . Also nicht in der Anwendung . Also manche Leute sagen dann: wir brauchen die Theorie , dann müssen wir die anwenden . Aber was sie meinen ist: I ch hab mir das angeguckt und jetzt subsummiere ich einen Fall unter die Regel .
Aber was ich versuche zu sagen ist, du kannst die Regel erst verstehen , wenn du mit einem schlechten Verständnis der Regel dir Fälle anguckst und dadurch verstehst , was die Regel eigentlich ist . Kant nennt es Urteilskraft .
Ich habe irgendwie vor einer Weile mit einem Freund von mir geredet . Und mir ist aufgefallen , dass ich Philosophie angefangen habe zu studieren , um Philosophie zu machen . Und nicht um irgendwie spätpubertäre Leute in Philosophie zu unterrichten . Also ich habe keine Lehrerinnen- Ausbildung gemacht , sondern ich habe Philosophie studiert . D ie Sachen , mit denen ich mich auseinandergesetzt habe , sind politische Theorie um Metaphysik und so Zeug .
Das habe ich nicht gemacht , weil ich das irgendwem mundgerecht verpacken wollte , sondern weil ich es geil finde. Weil mir das den krassen Kick gibt . U nd dann habe ich irgendwann gedacht: Okay . Aber die einzige O ption , die du eigentlich hast mit dieser Ausbildung ist, dass du irgendwie so eine Hochschullehrerin halt wist. Also die Anzahl an diesen Positionen selber ist schon sehr gering und die Anzahl an Positionen , in denen du dann forschen kannst oder so dein Zeug machen kannst, ist noch geringer .
Was unter anderem damit zu tun hat , dass die Universität als Institution - insbesondere die Geisteswissenschaften - immer weiter zusammen streicht . Was mein Leben individuell und ganz persönlich total bestimmt , z.B. dadurch, dass ich die ganze Zeit Anträge schreibe und dass ich als prekarisierte Wissenschaftlerin eigentlich auf ein unstetes Leben blicke , in dem du mal hier wohnst und mal da wohnst und das auch nicht aussieht, als ob das sich in Zukunft besonders viel ändern würde . Ich muss halt da hingehen , wo es Geld gibt oder wo es eine Position gibt .
Man nennt das dann irgendwie die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes , aber im Endeffekt ist es eine eine Verkümmerung der sozialen Eingebundenheit von Wissenschaftlerinnen. Und der Preis , den du zahlst , ist ziemlich hoch . Also sowas wie un stete soziale Beziehungen, wenn du mal hier bist und mal da bist . Oder wenn du richtig viel Zeit damit verbringst , so richtig abgefahrenes Zeug zu lesen . Und dann sagen Leute: Was hast du heute gemacht ? Und ich sage: I ch habe mir sehr viele Gedanken darüber gemacht , ob das lateinische Wort Re vera - das aus den beiden Zeilen "re" für Ding und "vera" für wahr bestehen - e ine andere Form von Unterscheidungsglied ist bei Spinoza, als die die reale Unterscheidung bei Decartes . Und dafür habe ich viel Zeit damit verbracht , entsprechende Stellen zu finden , sowohl in den Prinzipien der Philosophie bei Decartes als auch in Spinozas Werk und in der 1548 auf Latein übersetzten Gesamtausgabe von Aristoteles, die es tatsächlich in Spinozas Bibliothek gab . Und ich bin mir noch nicht ganz sicher . Das kannst ja niemandem erzählen . Genau, al so habe ich gedacht: O kay , was macht man damit ?
Und dann dachte ich: Naja , es gibt ja so eine klassische Unterscheidung zwischen Philosophie und Sophismus . Und die Selbst- Mythologisierung der Philosophie ist: E s gab die bösen Sophistennen und die bösen Sophistinnen haben es mit allen gemacht . Sie haben einfach mit allen geredet, wer ihnen halt Geld geben wollte , so und das war voll schlecht , weil das hat dazu geführt , dass sie immer das erzählen , was irgendwie die anderen Leute so hören wollen .
Und dann kam der große Sokrates. Und der große Sokrates war so: I ch nehme kein Geld . Ich mache es nur für die Liebe zur Weisheit . Natürlich ist er die Ganzheit trotzdem von seinen Freunden bezahlt worden , aber wen interessiert das schon ? U nd das ist ja , was Philosophie heißt: die Liebe zur Weisheit . Wir machen es einfach nur aus der Liebe zur Weisheit . Wir brauchen kein Geld und so Zeug . Faktisch ist es aber so , dass alle die ganze Zeit Geld brauchen und die ganze Zeit Anträge schreiben. Und dann dachte ich: Okay , es gibt dieses seltsame Verhältnis , das du auf der einen Seite, irgendwie aus deiner eigenen Neigung heraus diese Wissenschaft betreiben sollst , aber auf der anderen Seite die ganze Zeit dafür scheiße bezahlt wirst . Und auf einer dritten Seite, die Arbeit , die du leistest , auch gar nicht so richtig als Arbeit anerkannt wird , insbesondere wenn du irgendwie außerhalb der Akademie sprichst , weil du redest ja nur . Ist ja nicht schwierig , was ich hier mache . Ich rede ja nur. Das kannst du ja auch, du kannst ja auch reden . Kein Problem . Was auch interessant ist , weil die Leute dann noch sagen: Du redest ja nur, aber du redest so schwierig! Kannst du es nicht mal einfacher sagen ? Ich denke , so würdest du das jemals zu einer Mathematikerin sagen ? Würdest du jemals sagen: Kannst du diese Formel vielleicht so ausdrücken , dass ich das innerhalb von zwei Sekunden verstehe , obwohl ich mich noch nie damit auseinandergesetzt habe ? Niemand würde das sagen! Was die eigentlich sagen ist: I ch hasse die Philosophie! Was die eigentlich sagen ist: Ich glaube nicht , dass irgendwie Denken , rationales Denken irgendwie einer Ausbildung bedarf .
E s ist eigentlich anti-intellektualistisch und ich finde die Art und Weise... Die ökonomische Situation der Geisteswissenschaft ist eigentlich strukturell anti-intellektualistisch . Okay , das ist die Situation . Ich habe mich gefragt , was mache ich damit ? Und dann dachte ich vor vielen Jahren schon , vielleicht werde ich einfach Sophistin . Also vielleicht gehe ich einfach auf die andere Seite, die dunkle Seite der Macht und sage: Gib mir einfach Geld .
Und dann hab ich, es ist schon eine Weile her, im Internet , so auf Dating- Plattform A nzeigen geschaltet und meinte so: Ich bin Philosophin . Ich hab einen S tundenlohn . Ich rede mit euch . Und es gab tatsächlich Interesse von so ein paar Leuten und ich dachte: Aha . Es hört sich gemein an , aber es gibt einen Markt dafür .
Menschen haben existentielle Probleme . Man mag es nicht für möglich halten . Und sie haben existentielle Probleme , die heißen: I ch weiß nicht , was ich mit meinem Leben machen soll . Sie haben existenzielle Probleme , die heißen: Gibt es einen Gott ? Sie haben existenzielle Probleme , die heißen: Ich bin krass unmotiviert und Psychotherapie hilft mir nicht . Oder - I ch finde , unsere Gesellschaft ist richtig krass auf dem falschen Weg , aber ich habe keine Ahnung , was der richtige Weg ist .
Und ich würde sagen , die M asse an Selbsthilfel iteratur und so. . Esoterischer Literatur und so Zeug, die konsumiert wird in westlichen L ändern zeigt , dass es ein starkes Bedürfnis gibt nach einer strukturierten Auseinandersetzung mit diesen Fragen . Was ist Realität ? Gibt es etwas , das über die . sichtbare , wissenschaftlich erfahrbare Welt hinausgeht? Aber Philosophie , würde ich sagen, als die traditionell wissenschaftlich rationale Art und Weise , sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen , fristet quasi ein S chattendasein in diesen unterfinanzierten De partments . Also dachte ich: D as ist ja interessant , dass das so meine Idee ist und dass es dafür einen Markt zu geben scheint . Also werde ich versuchen , das weiter zu führen und Sophistin zu werden . Also mich bezahlen zu lassen für meine Dienste , aber nicht von einer staatlichen Institution , sondern von Leuten direkt, als eine Form von Dienstleistung . Und das funktioniert eigentlich ziemlich gut . Also wir haben eigentlich immer eine ziemlich gute Zeit miteinander und ich habe schon das Gefühl , dass die Menschen , die das in Anspruch nehmen davon profitieren . Aber was daran auch interessant ist , dass es zu tun hat , natürlich mit dem , was wir vorhin über Lernen gesagt haben. Weil es nicht darum geht , dass ich irgendwie mich hinstellen und sage: H ier ist ein Vortrag über Nietzsche . Nietzsche wurde da und da geboren . Bla bla bla bla bla . Sondern dass wir in ein Gespräch kommen miteinander , in denen die Sachen , die dich interessieren , die mich interessieren , die uns vielleicht zusammen interessieren, zur Sprache kommen und wichtig sind . Es gibt also keinen Syllabus . Es gibt keinen Lehrplan, wie´s den in der Uni gibt oder in der Schule gibt. Sondern wir können spontan navigieren zwischen Texten , Bildern, S erien, Y ouTube-Clips , Tweets et cetera et cetera. W o ja überall ein Potenzial für... Lernen... Etwas Neues , etwas anderes ... Die Antworten auf unsere Fragen quasi schlafen . U nd da teile ich gerne meine Expertise mit den Sachen , die ich kenne .
Also zu sagen: Du musst jetzt nicht 200 Seiten XY lesen , sondern: W ir haben uns ja länger miteinander unterhalten und ich weiß , was dich interessiert und deshalb sage ich: Lies mal diese Zwei . Und dann kann ich vielleicht noch was einstreuen oder zusammenfassen und dann vielleicht noch hier und da . Et cetera et cetera . Das heißt , es ist ein konzentriertes sich Auseinandersetzen mit F ragen der Metaphysik, der Politik . Z.B. d arüber , was eine Meinung ist , was Meinung von Wissen unterscheidet . Et cetera . Aber was ich auch glaube, was dieses Angebot , das ich mache, auszeichnet und was meines Erachtens auch Philosophie als Wissenschaft auszeichnet, ist dass es keine in sich selbst gegebene Notwendigkeit für finale Antworten gibt . Also wenn mein Eindruck ist , dass die die Imagination dessen , was Lernen heißt , die dominant ist , die paradigmatisch ist, ist so: Es gibt etwas zu lernen und dann hast du es gelernt und dann kannst du etwas beantworten .
Du kannst eine Frage beantworten . Kannst sagen , meine Schuhgröße ist einundvierzig. Das hast du jetzt gelernt . Jetzt kannst du die Frage beantworten .
Sehr gut. Kriegst eine 1 und ein Sternchen . Jetzt darfst du Pudding essen gehen . Aber mein Eindruck ist, dass eigentlich echtes Lernen so nicht funktioniert . Und auch in meinem eigenen Leben so nicht funktioniert hat. Das ist nicht so , dass ich irgendwie gelernt habe , dass ich halt mit einem Pony besser aussehe, als ohne Pony . Manchmal ist es halt so. Manchmal halt nicht . A ber mein Eindruck ist auch , dass das genau daran total viel krankt, in einer politischen Diskussion oder in sozialen Konflikten et cetera . Dass es eigentlich nicht so viel Bereitschaft zur Unvollständigkeit gibt . Und das etwas ist , was die Philosophie aber eigentlich immer erfordert . Also keine Ahnung . Andere Wissenschaftlerinnen gucken manchmal herab auf die Philosophie und s agen: Es gibt euch seit 2500 Jahren und ihr habt überhaupt keinen Fortschritt irgendwie . Es gibt überhaupt keine Antworten auf keine Fragen . Man kann immer noch platonisch diskutieren und irgendwie Platonistin sein . Was ist das für eine Wissenschaft ? Und ich würde sagen , genau das ist aber gerade die Stärke dieser Wissenschaft .
Die Stärke dieser Wissenschaft ist , dass sie uns in ihrer Praxis beibringen kann , wie wir offen sein können für andere Positionen , ohne dabei relativistisch zu sein . Ich glaube schon , dass man platonisch argumentieren kann , ich halte es halt für falsch . Aber ich muss nicht irgendwie in meiner Seele betroffen sein, wenn jemand das ernsthaft versucht. Ich kann halt sehen . Okay , es gibt bestimmte argumentative Konstellationen , in denen man bestimmte A bzweigungen nehmen kann . Aber i ch finde die halt nicht gut .
Und das funktioniert natürlich nicht in allen Konstellationen . Manchmal muss man Entscheidungen treffen . Und ich sage nicht irgendwie, alles sollte Philosophie sein , aber ich würde schon sagen , dass etwas , was ich in der Philosophie und durch die Philosophie gelernt habe, ist: E rstens , auf die Ausformulierung des Arguments zu bestehen und zu sagen: Okay , dann erzähl mehr . Warum glaubst du das ? Und auf der anderen Seite aber damit okay zu sein, etwas falsch zu finden . Also ich kann sagen , ich finde das falsch . Und jetzt lass uns Tee trinken .
Ich dachte gerade, ich habe den Antikommunismus vergessen, w eil das ist glaube ich auch verbunden. Also ich glaube , vor 10 Jahren oder so , hätte ich gesagt , wenn mich jemand gefragt hätte: Wo bist du im politischen Spektrum? Hätte ich gesagt, i ch möchte mich nicht verorten im politischen Spektrum . I´m above that! Ich mache Philosophie und das ist mir alles nichts, das ist mir alles zu reduktionistisch und so Zeug . Und die Einteilung in rechts links ist doch auch schon total überflüssig .
Stimmt alles nicht mehr . Okay , und dann ? Und heute würde ich aber sagen: I ch bin links und ich finde , man sollte die Linkspartei wählen . Und ich finde , Antikommunismus ist ein Problem, obwohl ich keine Kommunistin bin . Und das ist ein überraschender Prozess, würde ich sagen, für mich. Und ich würde auch sagen , das ist ein überraschender Prozess . Und wie ist es dazu gekommen ? Es ist dazu gekommen , indem ich gesehen habe , dass I deen und Positionen nichts sind , was irgendwie außerhalb der Institutionen und der sozialen Wirklichkeit existiert . Die Frage ist nicht: Bin ich links oder bin ich nicht links oder bin ich eine Kommunistin oder bin ich nicht eine Kommunistin ? Die Frage ist: Bin ich eingebunden in soziale Praktiken z.B. Gewalt z.B. Ignoranz z.B. Anerkennung z.B. innerhalb von sozialen F eldern und Spielen , in denen ich so gelesen werde und da ist die Antwort halt: J a .
Also ich würde sagen , es ist völlig egal , ob ich mich als links verstehe oder nicht . Fakt ist , dass die Theorie , die ich mache und das Leben , das ich lebe und die Leute , die ich kenne, O bjekte sind von den gesellschaftlichen Strömen und Maßnahmen und Verboten und Gesetzen , die sich auf Linke beziehen . Und insofern bin ich auch Opfer von Antikommunismus ohne Kommunistinnen . Und ich würde sagen , gerade im politischen Spektrum heute, gibt es einen sehr , sehr starken Antikommunismus .
Und der sieht wie folgt aus: Man sagt irgendwie: Ihr habt diese und diese Position, ihr seid Sozialistinnen, ihr seid Linke . Und hinter jeder Linken steht ein Gespenst und das Gespenst heißt Stalin . Die Idee ist immer irgendwie so: Wenn ihr an die Macht kommt , dann Gulag . Genau . Völlig egal , was die Leute darüber meinen oder was ihr Verhältnis zu Stalin ist oder ob die überhaupt verstanden haben , was Stalin heißt oder was ein Gulag ist oder irgendetwas , ist völlig egal .
Es gibt irgendwie immer diese Angst: Oh Gott , wenn Annalena Baerbock Kanzlerin wird - A nnalena Baerbock ist wirklich keine Linke - ich finde es eine Beleidigung , dass ich mich damit auseinandersetzen muss als Linke . Wenn Annalena Baerbock Kanzlerin wird , dann wird alles verboten und wir landen alle im Gulag . Das scheint mir so die Fantasie zu sein . Und mein Eindruck ist , das ist einfach eine sehr , sehr lang gehegte antikommunistische Tradition im Westen, der Kritik einfach mundtot macht .
Indem man sie immer in die Nähe des krassest möglichen abschreckenden Beispiels stellt . Okay . Und dann habe ich mich gefragt: Was mache ich damit ? Wie kann man sich damit auseinandersetzen ? Und meine emotionale Antwort an irgendeinem Punkt , an dem ich so sehr , sehr viel mit einer Freundin bis 7 Uhr morgens getrunken habe in einer Bar, war so: V ielleicht sollte man einfach sagen: Ja , genau so ist es . Es gibt eine Verschwörung , eine linke Verschwörung .
Wir besetzen die Medien . Wir sind überall . Wir wollen , dass ihr alle schwul werdet . Wir wollen Testosteronb locker für alle . Wir wollen die Zweierbeziehung abschaffen . Wir wollen eure Kinder . Wir wollen die Gefängnisse öffnen . Wir wollen euch alle verschleiern . Wir wollen , dass ihr alle nur noch Steine essen dürft und nie wieder Schweinefleisch. Diese ganzen Sachen vor den Leute Angst haben . Vielleicht sollte man einfach mal sagen: J a , genau! Und als Philosophin dachte ich , das schreibe ich jetzt auf .
Ich baue jetzt ein System , in dem das genauso ist . E inen kohärenten Text , einen kohärenten philosophischen Entwurf , der genau sagt: Okay , hier sind die metaphysischen Prinzipien und deshalb müssen wir euch alle verschleiern . Und deshalb werden wir jetzt irgendwie euer Testosteron blocken. Ob ihr es wollt oder nicht. Genau , und dafür gibt es eine Persona, Genossin Josephine und Genossin Josephine ist eben diese Person . Diese Person , die sagen würde: Genau , ich bin die Verschwörung und ich finde, linke Politik sollte so aussehen , dass wir heterosexuelle Zweierbeziehung sabotieren . A ber so kohärent formuliert , dass es einsichtig ist , warum man das tun sollte . Und ich habe ein sehr komplexes Verhältnis zu Genossin Josephine . Wir sind definitiv nicht über alles einer Meinung . Aber ich würde auch sagen , dass es wichtig ist , dass es diese Position gibt , um sich mit ihr auseinandersetzen zu können , um sagen zu können: Wo funktioniert das oder wo funktioniert es nicht ? Und auf der anderen Seite , um sagen zu können: Es gibt so Genossin Josephine und es gibt Annalena Baerbock .
Genossin Josephine ist eine queere Stalinistin . Okay , Genossin Josephine möchte gerne , dass ihr dafür , dass ihr misgendert in den Gulag geht . Einfach nur , um mal den Abstand zu messen . Okay . Und ich würde sagen , wenn es darum geht , etwas zu lernen , würde ich sagen , ist das auch etwas , was ich als Strategie anbieten würde . Also nicht zu sagen , was ist meine Position ? Ich muss auf jeden Fall Recht haben . Wenn ich die falsche Position einnehme, ist alles ganz schlimm . Es geht immer um die Wahrheit . Als Philosophin sage ich: Es geht um die Wahrheit . Aber die Wahrheit ist auch kompliziert . Also was Wahrheit selber ist, ist auch nicht so einfach . Aber es gibt auch einen Mehrwert in der kohärenten Artikulation von Positionen und Konstellationen , die nicht meine sind . I ch finde es wichtig , immer wieder auch von Seiten zu argumentieren und zu versuchen , mich in Positionen hineinzuversetzen , die nicht meine sind und das kohärent zu machen . Und das ist , glaube ich etwas , was genuiner Philosophie auch passiert . Also was würde diese Personen sagen? Was würde diese Personen sagen ? Was würde diese Person sagen ?
Es wäre interessant , so einen Katalog aufzustellen von Sachen, von denen es wichtig ist , die zu lernen, z.B. Nein sagen oder auch gegen die eigene Position argumentieren . Oder zu lernen , dass es okay ist, falsch zu liegen . Also mein Eindruck ist , glaube ich , dass ich vor zehn Jahren noch gedacht hätte: Es gibt kein richtig und falsch. Aber heute würde ich sagen: Doch , es gibt es . Ich kann was falsch finden .
Ich habe einen Freund von mir getroffen auf einer Konferenz vor vielen Jahren , und er hat sich lange mit Skeptizismus auseinandergesetzt . Und er meinte , es gibt diejenigen Skeptizistinnen, die sind Skeptizistinnen , und es gibt diejenigen , die sind sich nicht so sicher . Aber das fand ich , glaube ich , ziemlich gut . Und was da drinsteckt , ist dass diejenigen , die glauben, es gibt kein Richtig und Falsch oder man kann es nicht so genau sagen, die sagen , dass es mindestens eine Sache gibt , die man genau sagen kann . Und das ist , dass es kein Richtig und Falsch gibt oder dass man sich nie sicher sein kann . Sie widersprechen sich ja selber. Wenn es kein Richtig und Falsch gibt , gibt es mindestens eine Sache , die es gibt, als eine richtige Aussage , nämlich dass es kein Richtig und Falsch gibt .
Das heißt , wenn du ernsthaft glaubst , dass es kein Richtig und Falsch gibt , dann muss es Richtig und Falsch geben können . Und für mich ist es , glaube ich , ein Unterschied zwischen Relativismus und Relationalismus . Also die Relativistin würde sagen: A us der Vogelperspektive kann ich sehen, all diese Sachen sind mal richtig und mal falsch , je nachdem aus welcher Position et cetera et cetera . Deshalb glaube ich, man kann es nicht so genau sagen . Mein Eindruck ist , viele Leute würden das unterschreiben .
Aber ich würde denken: D er Vogel , der fliegt über dem Land des Richtigen und Falschen , vergisst , dass er ja selber auch eine Position hat . Nämlich genau diese Vogelperspektive . Vergißt also , daß er selber in Relation zu diesen Sachen, sie für richtig oder falsch oder nicht richtig oder falsch oder unklar hält . Und deshalb finde ich es wichtig P osition zu beziehen . Und zu sagen: Das finde ich falsch und dann okay damit zu sein, selber falsch zu liegen . Das würde ich sagen ist wirklich eine Qualität , die man haben kann. U nd ich merke aber, dass ich damit nicht auf viel Gegenliebe stoße . Ich merke zum Beispiel, dass es sehr unterschiedliche Auffassungen davon gibt , was Respekt ist, in diesem Zusammenhang . Weil ich nämlich sagen würde, zu sagen: Das ist meine Position zu dir, über irgendwas, ist ein Ausdruck von Respekt . Ich sage: D u bist eine intelligente Person . Ich bin eine intelligente Person .
Das ist meine Position , und du wirst auch eine Position dazu haben . Wir können ja schauen , was damit passiert . Und wenn die halt nicht dieselben sind, dann kann ich deine Position immer noch nachvollziehbar finden oder ich kann sie bescheuert finden oder sowas . Und dann können wir uns miteinander auseinandersetzen . Aber diese Form von R espekt, die ich mir erarbeitet habe , das ist ein Ergebnis einer Entwicklung , wird von vielen Leuten als konfrontativ verstanden . Wo also Respekt nicht ist, Anerkennung der anderen Person als intelligente Mitspielerin in einer gemeinsamen Auseinandersetzung .
Sondern in der Respekt verstanden wird, als sowas wie Eigentum . Also , das ist mein Glas , das ich hier in der Hand habe . Und was heißt es , dass das mein Glas ist ? Das heißt , dass sich alle anderen von der Benutzung meines Glases ausschließen kann . Du darfst es nicht einfach nehmen . Das wäre irgendwie komisch. Das ist das , was Eigentum ist . Wie Eigentum oft verstanden wird . Und Leute verstehen glaube ich oft, ihre eigenen Positionen oder Meinungen oder Gefühle in dieser Art und Weise .
Du darfst nichts über meine Gefühle sagen , weil das heißt , dass du mein Gefühl benutzt . Oder dass du meine Meinung benutzt , dass du sie verwendest , wie wenn du einfach so aus meiner Kaffeetasse trinkst. Und dann sitzen die sieben Zwerge zu Hause und sagen: Wer hat über meine Meinung geredet ? Wer hat aus meinem Becher chen getrunken ? Wer hat über meine Gefühle geurteilt ? Genau . Das heißt , ich würde denken , dass zu oft Respekt verstanden wird, als eine Form von Eigentum .
Der Anerkennung von deinen Gefühlen , deinen Meinungen und deinen Position als deinem Eigentum, mit dem ich nichts zu tun haben kann oder darf oder keinen Einfluss drauf habe . Et cetera et cetera . Okay . Und ich sage nicht , man sollte durch die Gegend laufen und sagen: Deine Gefühle sind scheiße . D avor sollte man doch keine Angst haben . Und das ist richtig . Und das ist falsch . Ich finde nicht , dass irgendwie so das patriarchale Subjekt , das über alles urteilt und über alles recht hat , irgendwie so die gute Richtung ist. Ich glaube eher , dass es irgendwie um Einfühlung geht und zuhören und so S achen . Aber , ich glaube auch , dass der Respekt vor der Andersartigkeit der Anderen nicht Distanz bedeuten darf . Und dass sich miteinander auseinandersetzen nicht in sich selber immer schon konfrontativ ist . Und selbst wenn es das ist und selbst wenn es Verletzungen gibt, die es gibt, finde ich es wichtig , das explizit zu machen . Und zu sagen: D as ist mir zu krass .
Oder: D as fand ich scheiße! Oder: E s verletzt mich!
Oder sowas .
Und einer der Gründe , warum ich das glaube ist , dass wenn wir darüber nachdenken: W ie können wir voneinander lernen? Glaub ich , dass es ohne das nicht geht . Wenn Leute glauben , ich erzähl meine Geschichte , du erzählst deine Geschichte , wir erzählen alle unsere Geschichten . Und dann gibt es dieses unglaubliche Archiv von Geschichten und dann höre ich mir deine Geschichte an. Ich sage, d as ist deine Geschichte und ich höre mir deine Geschichte an und ich sage, d as ist deine Geschichte .
Aber es kann keine produktive kritische Auseinandersetzung miteinander geben , sondern das sind einfach irgendwie nur so B esitztümer - i deelle , emotionale , historische Besitztümer von irgendwelchen Leuten - glaube ich, wird es kein Prozess des Lernens geben. Sondern nur ein stock piling, also nur so ein H ams tern . Ein S peicher von ganz vielen verschiedenen Sachen , die irgendwie nichts miteinander zu tun haben , obwohl sie irgendwie etwas miteinander zu tun haben und es ist alles total schwierig und wir können überhaupt nichts darüber sagen , weil wir wollen ja niemanden auf die Füße treten .
Ich glaube , lernen heißt auch, Leuten auf die Füße treten . Und ich glaube ja auch in politischen Verhältnissen . Ich bin Leuten richtig fies auf die Füße getreten . Es tut mir richtig krass leid . Es ist mir auch richtig krass peinlich . Aber ich würde auch denken , ich glaube , ohne geht es nicht .
Ich finde die Form des kontrafaktischen Denkens eigentlich interessant . Also dieses: Was wäre wenn? Aber ich habe glaub ich auch total aufgehört , so zu denken . Hätte ich anders handeln sollen? Und so weiter . Ich finde das glaube ich insgesamt irgendwie immer unproduktiv . Also ich glaube , es verursacht in mir immer so ein Gefühl von Schuld . Aber gleichzeitig gibt es auch so ein narzisstisches Element , indem ich so imaginär mich aufschwinge in eine Position , in der ich es ja doch hätte anders machen können und in der ich, trotz meiner Verfehlung und meiner Schuld, gleichzeitig auch über der Situation schwebe und sie beurteilen kann .
Und das kann ich ja nicht . Ich hab's halt verkackt . Also mein Eindruck ist , dass dieses mich kontrafaktisch mit meinen eigenen Fehlern auseinandersetzen, oft eigentlich nur dazu hinreicht , auf der einen Seite in der Schuld stecken zu bleiben und auf der anderen Seite mein narzisstisches Selbst , das nicht schuldig ist , sondern mich selber beurteilt , als so eine Ausflucht für mich selber auch aufrechtzuerhalten . Und da gibt es keine Entwicklung , die stehen dann einfach so nebeneinander rum .
Auf der einen Seite fühle ich mich scheiße , auf der anderen Seite fühle ich mich richtig geil , dass ich mich selber darin beurteilen kann , wie ich mich so scheiße fühlen . I ch weiß nicht , vielleicht ist das für andere Leute anders , aber für mich gibt es von da aus keinen Weg vor oder zurück .
Naja , wenn du anders gehandelt hättest , dann wärst du ja jetzt nicht die Person , die darüber nachdenken würde , ob du anders hättest handeln sollen . Das heißt , es gibt eigentlich keine Verbindung zwischen diesen beiden Sachen . Aber ich finde das z.B. auch interessant in Bezug auf Intersektionalität . Also würde ich im Rollstuhl sitzen , dann könnte ich nicht XY lernen oder weiß ich nicht . Wär ich kein weißes Mädchen in Neukölln , würde ich dann so und so und tralala .
Aber ich denke auch i mmer naja , ist halt nicht so. Ich bin halt ein weißes Mädchen . Es gibt keinen Zugang zu der anderen Position oder zu der anderen Erfahrung . Aber in dieser Art und Weise nachzudenken , gibt es auch die Phantasie der Position , die alle Positionen sein könnte . Also in dem Moment , in dem ich sagen würde , wäre ich kein weißes Mädchen , sondern ein weißer Junge . Oder vielleicht wäre ich irgendwie . Keine Ahnung . Vielleicht würde ich im Rollstuhl sitzen... In dieser Situation gibt es auch immer in dem Moment , indem ich das denke, die dahinterliegende Idee , dass es ein Ich gibt , das außerhalb dieser identitären Einbindung existieren könnte . Als Voraussetzung dafür , dass ich diesen Schritt überhaupt machen kann. Und das finde ich falsch . Das gibt es nicht .
Aber was das halt auch nicht greift ist , dass die Welt halt schmutzig ist . Die Welt ist halt schmutzig und scheiße und fies und gemein und gewaltsam . Und wir sind es halt auch . Wir sind schmutzig und gemein und wir tun einander Gewalt an und es ist furchtbar . D ie bittere Pille , die zu schlucken ist , ist dass das die Welt ist . Und das das kein Fehler in der Welt ist. Ist es nicht . Es gibt keine Welt , ohne das .
Und es gibt kein Ich ohne das . Ich habe keine Ahnung , wie das wäre. Aber das ist ein sehr saurer Apfel , sagt man auf Deutsch . Und ich denke so ein bisschen an Kara Walkers Arbeiten . S ie ist eine schwarz- amerikanische Künstlerin und sie ist so sehr bekannt geworden für ihre Scherenschnitte , in der sie so richtig krass rassistische - ich glaube 17.Jahrhundert Abbildungen - reproduziert . Aber dadurch, dass es ein Scherenschnitt ist , ist es halt nur schwarz weiß . Also du siehst , die Figuren sind durch ihre krasse Überzeichnung rassifiziert , aber nicht über schwarz und weiß , weil die alle schwarz sind . Und sie ist krass kritisiert worden, dafür zum Beispiel , dass sie Abbildung auch zeigt davon , wie bei Sklavena ufständen die weißen Sklavenhalter gehängt worden sind . Aber das ist genau der Punkt .
Du kriegst die Geschichte nicht ohne die Gewalt . Du kriegst auch die Geschichte der Befreiung nicht ohne den Exzess von Gewalt . Und i ch sage das nicht , weil ich das geil finde . Sondern weil das quasi das Joch ist, das es zu tragen gilt . Wie kann man damit umgehen ? Dass man sagen muss , selbst in den Sklavena ufständen gab es Gewaltexzesse . Und es ist irgendwie komisch zu sagen: Nein , ihr hätte i hn jetzt auch nicht aufhängen müssen. Da denk ich so: Na ja , keine Ahnung . Er hat euch versklavt, ihr seid in der Sklaverei geboren worden . Der ist ein krasses Arschloch gewesen . Natürlich würde ich insgesamt sagen , ich bin gegen die Todesstrafe , aber es ist auch nicht so , dass ich nicht verstehen könnte , dass ihr dachtet , in dem Moment: W ir sind zu 50, du bist alleine . Wir hängen dich auf . Aber diese quasi Unklarheit aushalten zu können, würde ich sagen, ist sowohl etwas , was es wichtig ist zu lernen als auch Grundlage dafür , sich produktiv Sachen aneignen zu können .
Auch sich selber gegenüber . Und ich bin auch nicht die praktische Expertin darin zu sagen: Ja , ich habe diese Dinge getan und das war schlecht .
Das ist halt die andere interessante Frage . Also dieses, dass es nicht nochmal passiert . Das ist natürlich was wir wollen , aber gleichzeitig wissen wir auch: E s gibt Gewalt und es gibt Gewaltexzesse . Und ich würde sagen . Ich habe einen Text geschrieben , in dem geht es genau um Gewalt . Und die Frage , was Gewalt ist und ich würde denken, aus verschiedenen Gründen, dass Gewalt konstitutiv ist. Also dass du die Welt nicht ohne Gewalt bekommst .
Die Welt ist nicht so aufgebaut , dass irgendwie alles wie ein göttliches Puzzel ineinander passt und alles ist irgendwie nice und so , sondern es gibt immer Kräfte , die gegeneinander stehen. Und einander fertigmachen . Und dabei gibt es immer Schmerz . Und dabei gibt es immer Verlust und Trauma . Und dieses ganze Zeug . Die Welt ist halt nicht das Himmelreich . I ch dachte irgendwie glaube ich lange Zeit, w enn ich mich nur richtig verhalte , dann wird alles gut . Ich muss einfach alles richtig machen . Es liegt irgendwie an mir . Oder wenn die anderen alles richtig machen würden , dann wäre ich auch irgendwie ein besserer Mensch . Ist ja auch so eine total klassische Figur . Ich bin eigentlich eine total Gute, wenn es nicht immer irgendwie diese schlechten äußeren Bedingungen gäbe , dann wäre ich eine total gute Person . Etwas, was ich vielleicht mitnehme - nicht so als etwas , was ich gelernt habe , aber vielleicht als etwas , womit ich mich auseinandersetze , ist dass es vielleicht einfach nicht stimmt . Ich bin keine gute Person . Ich bin einfach irgendeine Person, wie viele andere Personen auch . Ich bin halt auch impulsiv und gemein und verletzt und egozentrisch, wie andere Personen auch . Und es liegt nicht daran , dass die Bedingungen so schlecht sind. Die Bedingungen sind halt die Bedingungen .
Natürlich wäre ich irgendwie unter besseren Bedingungen vielleicht irgendwie ein bisschen lockerer oder so. Oder vielleicht wurde mir auch nochmal mehr Therapie ganz gut tun oder so. . Klar , es ist nicht so , dass ich irgendwie denke , ich bin der Teufel . Aber ich glaube , das ist etwas , was in meinem Leben total wichtig ist und was ich aus der Philosophie gelernt habe . Dass das Schlechte und das Nebensächliche und das , was nervt und das , was dich zurückhält , dass es kein Unfall ist . D ie Idee ist ja oft irgendwie so : Das ist so meine Essenz und dann gibt es so schlechte Bedingungen, die schlechten äußeren Einflüsse und s o und deshalb verhalten sich irgendwie Leute so. Und ich glaube , die die Aufgabe oder die bittere Pille , die es zu schlucken gilt , ist zu denken nein , es ist einfach schlecht . Die Welt ist ein schlechter Ort . Menschen verhalten sich auf schlechte Arten und Weisen . Gewalt existiert in der Essenz der Dinge . Nicht , weil es halt einfach eine unglückliche Sternenkonstellation gab oder weil die Welt schlecht eingerichtet ist. Sondern d as ist die Art und Weise , wie die Welt halt eingerichtet ist . Und damit gilt es umzugehen .
Und dann ist die Frage für mich , glaube ich , nicht so sehr: W ie können wir machen , dass es nie wieder passieren wird? Sondern wie können wir es vielleicht anders auf die Bühne bringen ? Also vielleicht gibt Arten und Weisen Gewalt und Frustration und Verfehlung und moralische Ungenügsamkeit oder sowas zu inszenieren . Also wir inszenieren uns hier jetzt gerade ganz klar miteinander . Wir sitzen einander gegenüber . Wir spielen diese Rollen voreinander . Ich spiele diese Rolle in diesem kleinen Hörstück für die Zuhörerinnen , in der ich diese Persona bin et cetera . Wir inszenieren uns miteinander die ganze Zeit und Fragen , die mich zunehmend interessiert haben in meinem eigenen Leben und meinem professionellen Leben, sind Fragen der Inszenierung . Also nicht: Wie kann ich immer das liebe Mädchen sein? Kann ich immer nett sein zu allen ? Sondern wie kann es die Frustration und die Aggression , die es gibt , schaffen , so auf die Bühne zu kommen , dass mein soziales Leben und ich selber und die Leute um mich drumrum dabei trotzdem stabil miteinander sein können . Macht das Sinn ?
Also ich versuche das ein bisschen zu rejustieren . Und mein Eindruck ist auch , dass diese Inszenierung s geschichte auch politisch total gut funktioniert. D ie Fantasie von Politik ist , ja irgendwie eine direkte Übersetzung . Der Gesetzgeber macht ein Gesetz und alle Einzelpersonen in der Gesellschaft halten sich plötzlich irgendwie dran. Aber so funktioniert es ja nicht . Es ist tatsächlich mehr wie eine Regieanweisung . Die Bundesregierung sagt irgendwie : Kannst du mal die goldenen Schuhe anziehen ?
Und die Hälfte sagt: Ja geil , wir ziehen die goldenen Schuhe an. Die andere Hälfte sagt: Boah, goldene Schuhe , überhaupt keinen Bock. D ann ist ein bisschen die Frage: r eicht das ? Also mit den Masken zum Beispiel. Der Gesetzgeber sagt, i hr müsst alle Masken tragen. Aber es ist mehr wie eine Regieanweisung . Alle Leute , die auf der Bühne sind , sagen... Manche setzen d ie Maske auf, manche sagen, ich setz die Maske so auf . Manche protestieren und sagen: Ich find's scheiße . Et cetera et cetera . Und so funktioniert halt der politische Prozess . Natürlich finde ich , dass erstens die Tatsache , dass wir überhaupt Masken tragen müssen , einfach ein Symptom von einem krassen globalen politischen Versagen ist . Trotzdem finde ich natürlich , wir sollten alle die Masken tragen . A ber ich würde auch sagen , dass das Beispiel zeigt , wie Politik funktioniert .
Der Einfluss ist halt nicht total . Du hast immer auch Improvisationss pielraum . M anchmal ist das gut . Manchmal ist das nicht so gut . Und ich würde mir wünschen , dass auch soziale Beziehungen und meine sozialen Beziehungen mehr wie so Improvisationen funktionieren . Also ich mache ein Angebot . Du nimmst das Angebot auf . Ich habe mir jetzt heute dieses hübsche Kleid angezogen . Das ist so mein Angebot für die Art und Weise , wie wir miteinander interagieren könnten .
Insbesondere wenn es um P olitik und Identität geht, ist das Angebot halt mehr immer so ne Box. Du darfst jetzt was s agen , aber bitte mach es so , dass es in diese Box passt . Wenn es nicht in diese Box passt , kannst du auch machen . Aber es ist sehr wahrscheinlich , dass wir es nicht veröffentlichen oder wir schneiden es vielleicht so zusammen , dass dann doch wieder passt .
Ich war auf einer Konferenz . Und eine weiße , blondierte, l esbische Pixis chnitt Wissenschaftlerin hält einen Vortrag über Susans Strykers s ehr bekannten Essay über Frankenstein und so. Ich r ede danach mit ihr und sage: Ich fand es nicht so. Ich hatte , glaube ich , so Probleme damit . Ich habe F ragen gehabt und ich dachte , vielleicht reden wir drüber . Sie meinte so: Ja , ja . Gib mir auf jeden Fall deine Transgender Kritik .
Und ich war so hä ? Da habe ich angefangen über Marx zu reden und drei Minuten später hatte sie einfach total das Interesse verloren . Du darfst so r eden! Aber bitte in dieser Box . Also ich bin auch überhaupt keine Marxistin . Es ist nicht so , dass ich irgendwie die krasse Marxistin wäre aber ich dachte so , es wäre vielleicht interessant ist , es sich aus dieser Perspektive mal anzu gucken . Aber wenn du so nicht dieses Spiel spielst, dann bist du halt so raus. I n dem Sinne denke ich dann auch, ich habe kein Interesse an dieser Inklusion . Ich möchte so nicht inkludiert werden . Und ich habe auch kein Interesse an dieser Form von Community . Ich möchte nicht Teil einer Community sein , in der ich dann in dieser Box leben muss . Ich mag eigentlich Boxen nicht so gerne. Ich finde Boxen sind eigentlich sehr , sehr dicht an so Särgen. Uns Särge sind mir eigentlich ziemlich suspekt, muss ich sagen . Ich habe das mehrfach erlebt auch, queere Szene Berlin . Dann s agen die Leute so, ja Repräsentation ist so wichtig . Und ich denke so: J a, R epräsentation ist auf jeden Fall wichtig . Aber Repräsentation ist auch nicht so eins zu eins . Du kannst nicht sagen , ich stelle jetzt irgendwie eine Transperson auf die Bühne und die repräsentiert dann Transpersonen . Der Link ist halt nicht so einfach, weil es einfach immer Überd etermination gibt . Es gibt immer auch tausend andere Sachen , die noch mit signi fiziert werden . Es gibt auch immer 1 000 andere Sachen , die die Leute so mitbringen . Und die sind ja manchmal viel interessanter . Aber vor allem gibt es ja auch irgendwie, insbesondere in so Fragen von Politik und Identität , Leute , die sowieso die ganze Zeit sichtbar sind , die vielleicht gar nicht so sichtbar sein wollen . Also die Politik der Sichtbarkeit ist ja auch eine Politik der Kontrolle . Ich kann sehen , wer du bist und was du bist . Und es ist aber auch eine Politik der Harmlosigkeit . Also weil ich sehen kann , wer du bist und was du bist und wie du dich verhältst, hab ich keine Angst vor dir . Also es gibt diese eingebaute Annahme , dass es irgendwie was Bedrohliches geben könnte . Und darauf ist dann die Antwort Sichtbarkeit: Guck, wir sind ganz ungefährlich . Love wins. Wir lieben uns so, wie alle anderen Leute sich auch lieben .
Und vielleicht möchte ich ja darauf gar nicht antworten . Ich möchte sagen , ich möchte überhaupt nicht in der Situation sein , auf deine Ängste antworten zu müssen . Aber mein Eindruck , dass insbesondere diese Politik der Sichtbarkeit und die Kunst , z.B. die sie produziert , die Ästhetik , die sie produziert , in der du immer die ganze Person siehst . Also immer so Kopf , Schultern , Hände , Füße . D as ist eben genau diese Politik der Sichtbarkeit .
Ich mache mich komplett sichtbar . Du kannst alles von mir sehen und du wirst sehen , dass ich auch nur ein ganz normaler Mensch bin . Aber ich denke irgendwie: Erstens gibt es Leute , die sowieso die ganze Zeit angestarrt werden und sichtbar sind. Die wollen vielleicht nicht noch sichtbarer sein . Vielleicht ist das nicht die gute Idee , irgendwie Leute , die sowieso die ganze Zeit unter Beobachtung stehen , dann noch sichtbarer zu machen , damit sie dann weniger unter Beobachtung stehen . Es scheint mir irgendwie so ein bisschen nicht so die richtige Richtung zu sein . Und zweitens gibt es eben diese andere Frage : sichtbar für wen ? Ist genauso wie vorhin , nicht wahr , wenn die Leute sagen: Wir müssen die Kinder schützen! W elche Kinder ? Nicht die schwulen Kinder . Nicht die Transk inder . Die müsst ihr nicht schützen vor Hormonbehandlung . Und irgendwie der Repräsentation von schwul- lesbischen Paaren in Schulbüchern . Und genau so ist es hier auch , sichtbar für wen ?
Nicht für mich . Ich weiß , wie ich aussehe . Ich weiß , wie meine Leute aussehen . Natürlich gibt es dann auch die Sichtbarkeit für diejenigen , die sich selber wiedererkennen und sich dadurch empowered fühlen . Ich verstehe das . Aber ich muss auch sagen , dass es für mich so nicht funktioniert . Das ist nicht wie ich Empowerment erfahre in meinem Leben .
Und es ist ja auch z.B. interessanterweise nicht notwendig , wie es funktioniert hat. Ich denke so an den Tod von Judy Garland , der irgendwie wichtig war i m Vorlauf von Stonewall . Und die ein schwules Icon war . Aber sie war natürlich kein schwuler Mann . Also es gab eine andere Form von Identifikation . Und natürlich glaube ich auch , dass Schauspielerinnen of C olor, weiße Figuren spielen sollten oder Figuren spielen sollten , die als weiße Figuren gescriptet sind . Und das Transs chauspielerinnen Figuren spielen sollten , die als cis gescriptet sind und diese ganzen Sachen . Also das finde ich glaube ich viel interessanter, als zu sagen , wir müssen irgendwie mehr Rollen für diese Schauspielerinnen schreiben . Zum Beispiel gibt es diesen Film, der ist dieses Jahr rausgekommen und der heißt " P romising young woman" . Und es gibt so eine Rolle , das ist Laverne Cox , aber Laverne Cox spielt halt so eine Person . Es ist völlig nebensächlich , wer sie ist . Ja , das finde ich , glaube ich , eigentlich die interessantere Variante . Gleichzeitig gibt es natürlich aber auch diesen "Das letzte Einhorn" Effekt . In dem Film "Das letzte Einhorn" gibt es diese Szene , wo die Hexe das Einhorn fängt . Und dann sagt die Hexe: Du bist ein Einhorn . Aber die Leute sind alle so dumm . Die werden dein Horn nicht sehen . Also müssen wir ein zweites Horn draufpacken , damit sie sehen , dass du ein Horn hast . Das ist für mich , glaube ich , diese Politik von Sichtbarkeit. Wo du sagst, ok, ich muss ein zweites Horn drauf machen , damit ihr auch seht, dass ich ein Einhorn bin. I ch muss auch schlau reden , damit ihr auch seht , dass ich schlau bin.
Ich muss mich auch hübsch anziehen , damit ihr seht , dass ich hübsch bin .
Die eine Frage ist : Wer darf sichtbar sein? Die andere Frage ist: W er muss sichtbar sein ? Also wessen Existenz ist so komisch , dass sie sowieso sichtbar wird . Und das ist ja auch eine Frage , die die Selbst -Konzeptualisierung von Leuten betrifft . Warum bist du so ? Aber es gibt eben Leute , die die ganze Zeit gefragt werden: Warum bist du so ? Und es gibt Leute , die das nicht werden . Aber die haben auch keine gute Antwort auf die Frage : Warum bist du schwul ?
Klar gibt's dafür bestimmt Antworten . Keine Ahnung , warum bist du lesbisch ? Weiß ich nicht . Aber hast du eine gute Antwort darauf , warum du heterosexuell bist? Wahrscheinlich auch nicht . Trotzdem installiert es natürlich irgendwie ein komisches Selbstverhältnis . Und das die Art und Weise ist , wie du dich selber die ganze Zeit betrachtest , in der du dich fragst : Warum bin ich lesbisch ? Warum bin ich trans ? Warum bin ich so und so ? Warum bin ich so aggro die ganze Zeit ? Warum bin ich nicht wie die anderen Kinder ? Also diese Selbst überwachung , diese Selbstdisziplinierung , die da wieder installiert wird irgendwie . In der du für dich selber auf eine bestimmte Art und Weise sichtbar wirst . Oder in der du von dir selber eine bestimmte Sichtbarkeit den anderen gegenüber abverlangst . Weil du ja weißt , dass sie fragen werden : Warum bist du nicht wie die anderen Kinder ?
Aber was ich, glaube ich, daran interessant finde , dass die Frage der Sichtbarkeit als Selbstdisziplinierung sinstrument problematisch ist . Unabhängig davon , was die Antwort darauf ist . Aber dass du dich selber als jemand wahrnimmst , der vielleicht sichtbar ist , vielleicht nicht sichtbar ist , aber auf irgendeine Art und Weise sich dazu verhalten muss und wahrscheinlich anders verhalten muss, als andere Leute und dich damit die ganze Zeit selbst problematisierst und selbst destabilisierst . Das ist , glaube ich, was ich den interessanten und auch problematischen Punkt daran finde .
Es gibt in einem Spivak Text . Spivak ist ja so meine Lieblings philosophin. Ich finde es gibt keine bessere lebende Philosophin als Gayatri Chakravorty Spivak. Und sie sagt in einem ihrer Texte - in den Siebzigern glaube ich - zitiert sie Freud mit dem Satz: Was will das Weib ? Also das weibliche Begehren als dieses große Phantasma . Wir wissen es nicht so genau . Sie sagt es nicht . Keine Ahnung .
Und das ist natürlich eine krass patriarchale Position, dieses so: D ie Frau als das unbekannte Wesen , das so richtig krass viel erforscht werden muss . Man muss so richtig viel Energie da rein investieren , irgendwie die dunklen Geheimnisse der Weiblichkeit hervorzubringen et cetera et cetera . Aber Spivak sagt gleichermaßen auch und richtigerweise - in dem Moment , in dem der feministische Blick diese Frage auf sich selbst richtet: Was will der Feminismus ? Reproduziert er quasi diese patriarchale Position sich selber gegenüber , also entfremdet sich von sich selber.
Was will der Feminismus ? Was will das Weib ? Was will die Lesbe ? Warum bin ich eine Lesbe ? Warum bin ich trans ? Warum bin ich Feministin ? Was will ich als Feministin ? Diese Fragen sind natürlich auf eine Art und Weise irgendwie wichtig . Also ich will nicht sagen , wir sollten einfach gar nicht f ragen , einfach so los brettern so. A ber was ich wichtig finde ist, dass es eben auch eine Selbstdisziplinierungs komponente gibt , in der ich mich von mir selber entfremde .
Und mir selber eine Position einnehme, die unmarkiert ist . Und damit vermutlich eher patriarchal , eher Herrschaft. In der ich mich quasi selber unterwerfe oder das Begehren habe , mich selber zu unterwerfen . Mich selber auszuleuchten und dann zu wissen und dann kontrollieren zu können. Es ist genauso wie wie dieser Moment des kontrafaktischen Denkens . Wo ich denke: Ich hätte ja anders handeln können . Das heißt , ich kann mein schlechtes Selbst, meinem guten Selbst unterwerfen und das gute , unmarkierte , unschuldige , urteilende Selbst kann dann irgendwie da unbeschadet rauskommen. Seine k leinen Engelsflügelchen ausbreiten und in den Himmel fliegen oder was weiß ich , was da die Phantasie ist . Aber das sind glaube ich so die Mechanismen , in denen die gesellschaftliche Gewalt im Selbst und auch im minorisierten Selbst verankert wird . Die Gewalt , die wir uns gegenseitig antun , sozusagen . In diesen Spektren ist etwas , mit dem ich mich viel auseinandergesetzt habe in den letzten Jahren .
Auch ein bisschen drüber geschrieben . Aber auch diese Mikrostruktur in der Gewalt, in der niemand irgendwem irgendetwas Böses möchte . Eine Idee , die ich hatte , über die ich auch ein bisschen geschrieben habe , ist dass es in Bezug auf die Frage , was zu tun ist - genauso wie in vielen anderen verschiedenen Fragen - eine Unterscheidung gibt zwischen den Produzentinnen und den Konsumentinnen dieser Frage . Also es gibt diejenigen , die Antworten produzieren und es gibt diejenigen , die diese Antworten konsumieren , also die sich die angucken , die lesen und dann irgendwie umsetzen .
Mein Eindruck ist , dass das eigentlich eine kontraproduktive Aufteilung ist . Und einer der Gründe ist , dass Probleme sich oft in spezifischen Kontexten und auf spezifische Arten und Weisen darstellen . Und auch , dass es diejenigen gibt, die diese Antworten produzieren , aber natürlich für sich selber produzieren , nicht für die anderen produzieren oder aus ihrem eigenen Kontext heraus produzieren, auf der einen Seite. Aber es gibt auch dieses Bedürfnis , sich zu unterwerfen . Und eigentlich nicht so viel selber nachzudenken .
Das heißt , mein Eindruck ist das , dass es wichtig ist, zu lernen, die eigenen Antworten zu produzieren , also eine Produzentin von Antworten zu sein . Eine Produzentin von Theorie zu sein. Als Philosophin würde ich sagen: D er Joke ist nicht, ein Konsum projekt zu sein. Als Philosophin würde ich sagen , der Joke ist nicht, eine Philosophie zu schreiben , die dann konsumiert und umgesetzt werden kann oder sowas . Sondern der Joke ist, L eute zu befähigen , selber zu produzieren .
So würde ich auch die Einbettung des politischen Kampfes in das soziale Miteinander verstehen . Es muss darum gehen , sich gegenseitig zu befähigen Antworten und Praktiken für die spezifischen Kontexte zu produzieren und nicht zu tun , was jemand anders einem erzählt hat . Und nicht einfach irgendwie eine Strategie zu nehmen und sie anzuwenden . Deshalb ist es wichtig , Kritik zu üben . Und Kritik an allem zu üben und radikal zu üben . Um ein Verständnis davon zu bekommen, in welchen Kontexten w as , wie funktioniert oder nicht funktioniert hat. Also mein mein Eindruck ist , dass dieses Begehren: J etzt sag uns , was du glaubst , was wir tun sollen, auch ein Begehren nach CocaCola ist . Gib uns den Drink , der uns allen schmeckt und den wir alle zusammen konsumieren können . Und mein Eindruck ist aber , dass genau dieses Begehren manchmal nicht so hilfreich ist , weil es uns davon blendet, zu sehen , was wir selber können .
Die Expertise , die wir selber haben und die wir miteinander teilen können . Auf mannigfaltige Art und Weisen natürlich. Es gibt natürlich irgendwie diesen negativstischen Zug in der Kritik . Das war schlecht , das war schlecht , das war schlecht , das war schlecht . Aber ich würde sagen die Praxis, auf eine kritische Art und Weise nachzudenken , befähigt uns auch immer weiterzudenken .
Nicht um dann den heiligen Gral zu finden am Ende der Fahnenstange , sondern weil unser eigenes Leben ja auch immer weiter läuft , bis es halt vorbei ist . Oder weil unsere eigenen Kontexte , in denen wir uns bewegen , unsere politischen Affiliationen , Verbindungen, unser soziales Eingebundensein eben auch immer wieder neue Probleme produziert und neue Konstellationen produziert . Insofern würde ich sagen , geht es darum , die vorher schon erwähnte Urteilsfähigkeit zu trainieren, wie einen Muskel . Über die kritische Fähigkeit , über den kritischen Diskurs und damit fähig zu werden, Theorie zu produzieren. Nicht im Sinne von: Wir schreiben alle Bücher. Sondern wir müssen alle die Theorie unseres eigenen Lebens produzieren . Und dafür ist die Auseinandersetzung und die kritische Auseinandersetzung miteinander wichtig . Und der Abstand , den wir einnehmen von unseren eigenen Verfehlungen oder den Verfehlungen anderer, um diese Produktivkraft - um einen traditionellen Term zu benutzen - zu generieren und damit handlungsfähig zu werden , würde ich sagen .